Eine ruhige Seitenstraße, gelegen zwischen der quirligen Hütteldorferstraße und dem Naherholungsgebiet auf der Schmelz. Ein kleiner Park, umringt von relativ unscheinbaren Altbauten, ein klassisches, unspektakuläres Wohngebiet im eher einkommensschwachen Teil des 14. Wiener Gemeindebezirks. Auf einem der Häuser steht seit kurzem mit dunkelblauer Sprühfarbe geschrieben: „Komm rein! DIESES HAUS IST BESETZT!“.
Das war im April 2017. Danach war es lange ruhig. Was seit damals passiert ist und wieso die Geschichte des alten Hauses in der Kienmayergasse 15 nun wieder aktuell geworden ist.
Die Besetzung durch AktivistInnen der „autonomen antifa w“ war nach wenigen Tagen schon wieder vorüber. Am 19. 4. 2017 stürmten Beamte der WEGA mit dem üblichen Wiener Großaufwand gegen linken Aktivismus – 150 Mann in Vollmontur und Räumungspanzer – das Gebäude. Verhaftungen gab es keine, denn die BesetzerInnen hatten das Haus bereits vorsorglich geräumt. Das Minimalziel erreichten die AktivistInnen dennoch: Für einige Tage wurde wieder über Leerstand, Abbruchspekulation und turbokapitalistische Verwertungslogik gesprochen. Man blieb friedlich, lud NachbarInnen ein und suchte das Gespräch. Auch ein eigener Info-Blog wurde ins Leben gerufen, dieser existiert heute noch. Generell schien die Besetzung nicht auf eine Dauerlösung wie etwa der Schaffung autonomer Räume abzuzielen. Wenn man so will, war das Ganze eine kleine, symbolische Marketingaktion, nur eben aus der antikapitalistischen Ecke. Denn das Objekt in der Kienmayergasse 15 wurde nicht zufällig ausgewählt. Vielmehr wollte man auf die Abriss- und Aufwertungspläne des damaligen Eigentümers (Vestwerk) aufmerksam machen.
Und genau diese Pläne sind nun, knapp zwei Jahre später, wieder brandaktuell geworden. Im Grundbuch steht nun nicht mehr die Vestwerk, sondern dessen Spin-Off Crownd Estates GmbH inklusive eines weit verzweigten Firmennetzwerkes. Auch hier konzentriert sich, wie auch bei anderen berüchtigten Wiener Immobilienverwertern, ein Großteil der Agenden auf eine einzelne Familie und im Besonderen auf eine einzelne Person, in diesem Fall dem zigfachen Geschäftsführer M. Kneussl. Das Geschäftsmodell scheint ebenso beinahe klassisch: Aufkaufen alter Zinshäuser, Vernachlässigen der Bausubstanz, schrittweises Entfernen der AltmieterInnen (wie auch schon 2017 von Seiten der AnwohnerInnen bemängelt wurde) und Neuerrichtung von (oder Umbau zu) freifinanzierten Eigentumswohnungen in gehobener Preisklasse. Ohne Regulierung, mit angeblich hohen Anlagechancen, nur eben auch kein Ort für Normalbürger mit stagnierendem Reallohn.
Dem Selbstverständnis des Unternehmens nach „steht das Endprodukt für den Nutzer im Fokus. Daher ist es unser Anspruch, die allerbeste Qualität zu bieten und selbst die höchsten Kundenansprüche zu befriedigen“. Dem Schönsprech der Projektentwickler steht jedoch die besonders kurze Anlagestrategie entgegen. Man möchte „eine direkte Beteiligung auf Private-Equity-Basis mit Renditen im zweistelligen Prozentbereich über kurze Laufzeiten anbieten“. Damit verspricht man absurd hohe Erträge, welche nur mit einer radikalen Gentrifizierungsstrategie zu verwirklichen sind. Dass dabei notwendigerweise nicht nur die Vernichtung von leistbaren Altbauwohnungen sondern auch die Verdrängung der ursprünglichen MieterInnen im Zentrum stehen, klingt gleich weniger stilvoll. Bezogen auf das Projekt Colibri in der Kienmayergasse bedeutet dies übrigens, dass nicht nur das Haus Nummer 15, sondern die gesamte Häuserzeile 13-17 sowie der angrenzende Schützplatz 1 in Kürze dem Erdboden gleich gemacht werden. Waren in einem der Gebäude im Februar noch MieterInnen anzutreffen, so wird in den nächsten Tagen (ab dem 25. März) mit den Vorarbeiten zum Abriss begonnen.

Die BesetzerInnen von 2017 haben damit immerhin einen guten Riecher bewiesen. So wichtig Aktionismus auch sein mag, eine Dauerlösung kann damit alleine nicht erreicht werden. Es ist Aufgabe und auch grundlegende Daseinsberechtigung der Politik, zu versuchen das Bestmögliche für möglichst viele Menschen herauszuholen. Wenn auch über Mittel und Ziele unterschiedliche Auffassungen vorherrschen, so sollte auch jedem noch so ideologiegeblendeten Menschen klar sein, dass die Vernichtung von leistbarem Wohnraum sowie die Verdrängung von AltmieterInnen zu Gunsten einer kleinen Elite an Immobilienentwicklern und Investoren, in keinem vernünftigen Verhältnis stehen. Bis diese Erkenntnis in der heimischen Politik eine Mehrheit findet, werden wohl oder übel noch zahlreiche Geschichten wie die der Kienmayergasse 15 von Statten gehen. Die Crownd Estate plant übrigens schon fleißig weiter. Nicht weit entfernt etwa, in der Ameisgasse 49-51, sollen Büros und Tankstelle demnächst einem weiteren Luxusanlageobjekt weichen.