Eigentumsförderung und marktkonforme Mieten. Mit diesen wohnungspolitischen Parolen zog die ÖVP 2017 in den Wahlkampf zur Nationalratswahl. Der spätere Bundeskanzler Kurz meinte dazu sinngemäß „wem die Mieten zu teuer sind, der solle sich doch eine Eigentumswohnung kaufen“ und erinnerte dabei unbeabsichtigt stark an Marie Antoinette und ihren Kuchensager. Zugleich klingt Eigentumsförderung natürlich im ersten Moment verheißungsvoll. Die Zahl derer, die auf solch einen Lottosechser freiwillig verzichten würden, ist eher im Promillebereich anzusiedeln. Nun knapp vor Ostern 2019 wurde ein erster großer Schritt in Richtung der vielzitierten Eigentumsförderung verlautbart. Der gemeinnützige Sektor (im Volksmund Genossenschaften) soll seine günstigen Mietwohnungen an die Mieter verkaufen. Was ist konkret geplant, welche Auswirkungen sind zu erwarten und kann dieses österliche Eigentumsversprechen überhaupt funktionieren?

Vom Gemeinnutz zum Eigentum. Neben der marktkonformen Miete, war auch die Eigentumsförderung einer der wesentlichen Eckpfeiler der Kurz‘schen Wahlkampfrhetorik. Stets nebulös formuliert, konnte man bisher nur mutmaßen, wie eine solche Strategie aussehen könnte. Doch heute, Gründonnerstag, präsentierte die Regierung ihren Plan. Im Zentrum steht dabei der Gemeinnützige Wohnbau. Diese für Österreich extrem wichtige Sparte der Gemeinnützigen Bauvereinigungen (GBV), kommt landesweit auf über 650.000 geförderte Wohnungen und weist vor allem langfristig gesehen mitunter die niedrigsten Mieten auf. Dieses europaweit bestaunte Erfolgsmodell [siehe: Gemeinnützige Wohnungen] fußt auf einer engen Kooperation von Staat und Unternehmen: Öffentliche Förderungen und Steuerzuckerln im Austausch für Mieten zum Selbstkostenpreis (hier gilt das WGG: Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz) und einen geschlossenen Kapitalkreislauf. Das heißt finanzielle Überschüsse werden nicht entnommen, sondern müssen dem Bau oder Erhalt von gemeinnützigen Wohnungen zugeführt werden.

INFOBOX zum wohnungspolitischem Vorhaben #2:
Die marktkonformen Mieten im Altbau.
Der Nutzen für die Durchschnittsbürger. Was sich nach einer eigentumsfördernden Maßnahme anhört, weißt, vor allem strukturell gesehen, grobe Lücken auf. Erstens, sind die Kosten einer solchen Wohnung prinzipiell nach dem aktuellen Marktwert zu berechnen. Viele Mieter werden von diesem Modell bezüglich des Kaufpreises in die Irre geführt. Im Volksmund wird oft davon ausgegangen, dass mit der laufenden Miete bereits ein Teil des späteren Kaufpreises abbezahlt worden wäre. Dies ist jedoch schlicht weg falsch. Auch aktuell kommt es bei Miet-Kauf-Wohnungen immer wieder zu bösen Überraschungen, wenn der Kaufpreis weit jenseits der eigenen finanziellen Leistbarkeit liegt. Wenig verwunderlich, denn der Marktpreis beträgt in Ballungsräumen wie Wien, Salzburg, Innsbruck oder auch dem Rheintal für eine 3-Zimmer-Wohnung bereits oftmals weit mehr als 500.000 €. Somit stellt sich die Frage, für welchen Ottonormalverbraucher die Eigentumsschaffung nun eigentlich erleichtert werden soll. Zweitens sind die, oben angesprochenen, strukturellen Folgen nicht zu unterschätzen. Denn sobald eine öffentlich geförderte Wohnung durch den privaten Verkauf dem Einfluss der GBV entzogen wird, löst sich der ursprünglich preismindernde Effekt durch die nunmehr fehlende Koppelung an das WGG in Luft auf. Anders gesagt, darf der nunmehrige Eigentümer frei über diese Wohnung verfügen und kann sie auch zu eigenen Spekulationszwecken missbrauchen. Dadurch, dass er nun nicht mehr an die strengen Regeln des WGG gebunden ist, kann er die Wohnung prinzipiell auch teuer an Dritte weitervermieten. Somit wäre die öffentlich finanzierte Preisdämpfung für immer verloren, einziger Nutznießer wäre dann der spekulierende Eigentümer. Auf individueller Ebene mag eine verstärkte Mietkaufoption zwar attraktiv wirken, langfristig wird aber die Struktur der GBV nachhaltig durchlöchert und leistbarer Wohnraum geht schlichtweg verloren. Die Regierung scheint sich dieser Kritik bewusst zu sein und plant daher nach dem Mietkauf die erlaubte Weitervermietung an Dritte auf die Höhe des Richtwertzinses (nach dem MRG) zu beschränken, allerdings nur für die Dauer von fünfzehn Jahren. Dadurch verschiebt sich die Verpuffung der Förderung zwar zeitlich, das grundsätzliche Problem bleibt jedoch bestehen. Auch kann die MRG-Miete weitaus höher als die WGG-Miete liegen. Weiterverkäufe an institutionelle Investoren sollen genauso wie eine Kurzzeitvermietung auf AirBnB und Co erschwert, vulgo verboten, werden. Das kann, eine solide rechtliche Ausgestaltung vorausgesetzt, durchaus als positiv bewertet werden.
Fragliche Folgen. Hinter der beabsichtigten Förderung von Eigentumserwerb stehen dennoch einige große Fragezeichen. Angesichts stagnierender Reallöhne und gleichzeitig
ungebremster Verteuerung am Wohnungsmarkt ist fraglich, inwiefern die geplante Forcierung des Mietkaufs für den „Ottonormalverbraucher“ zur Leistbarkeit beitragen soll. Der dringend notwendige,
marktliche Entlastungseffekt ist nicht zu erwarten. Im Gegenteil, durch vermehrtes Eigentum werden die Marktpreise für Wohnungen tendenziell eher angekurbelt. Dem gegenüber steht eine nicht zu
unterschätzende Gefahr für die vorbildliche Nachhaltigkeit des gesamten GBV-Systems. Trotz einiger geplanter Beschränkungen bleibt das Risiko für staatlich geförderte Spekulation mit Wohnraum
bestehen und übertrifft dabei die möglichen, positiven Aspekte, bei weitem. Auch darf man nicht den Fehler machen, den ersten wohnungspolitischen Wurf der Regierung losgelöst von ihren weiteren
Vorhaben zu betrachten. Was passiert beispielsweise mit der 15jährigen Koppelung an das MRG, wenn das MRG samt Richtwert durch die geplante „marktkonforme Miete“ abgelöst wird? Als Fazit bleibt,
dass die Novelle zwar punktuelle Verbesserungen ermöglicht, insgesamt jedoch einem faulen Überraschungsei gleicht. Die Masse wird sich Wohneigentum weiterhin bloß mit einem Lottosechser leisten
können. Somit reiht sich das Projekt wohl in eine Vielzahl von Regierungspaketen ein: Große Ankündigungen mit kaum spürbaren, bis stark negativen, Effekten auf Kosten der
Bevölkerungsmehrheit.