Wie Wien wohnt - Die wichtigsten Fakten auf einen Blick


Entwicklung der Mietpreise, Eigentumspreise und Bevölkerung in Wien.

Wien wächst. Aber die Preise wachsen deutlich stärker.

Während Wien mehrere Jahrzehnte lang relativ beständig 1,5 Mio. Einwohner*innen hatte, wächst die Bevölkerung seit der Jahrtausendwende kontinuierlich an. Zuletzt betrug das Wachstum etwa 10-20.000 Einwohner*innen jährlich. Hauptverantwortlich dafür ist zum einen eine Trendumkehr: Die Österreicher*innen ziehen seit einigen Jahren wieder vermehrt in die Ballungsräume. Aber auch innerhalb der EU ist Wien, ob der hohen Lebensqualität und Wirtschaftskraft, sehr begehrt. Die Zuwanderung von Flüchtenden ist - im Unterschied zur regulären Migration - mit Ausnahme des Rekordjahres 2015 für das Wachstum der Stadt übrigens eher nebensächlich und findet vor allem zeitlich befristet statt.

 

Wie die nebenstehende Grafik zeigt, kann mit diesem - im Rahmen durchaus gesunden Wachstum -  noch lange nicht der massive Anstieg der Wohnkosten erklärt werden: Während die Bevölkerungszahl zwischen 2006 und 2022 um ca. 17 % stieg, verteuerten sich die Mieten (alle Sektoren im Durchschnitt) um 57 %. Wobei die Preisentwicklung im sozialen Wohnbau (Gemeindewohnung, Gemeinnütziger Wohnbau) wenig als halb so stark war wie bei den privat vermieteten Wohnungen. Noch extremer stellt sich die Situation bei den völlig unregulierten Eigentumspreisen dar: Diese stiegen innerhalb der letzten 15 Jahre um das mehr als Eineinhalbfache (+154 %). Vergleicht man dies mit weiteren Fundamentalfaktoren der wirtschaftlichen Entwicklung (z. B. dem österr. Median-Einkommen: + 36 %), zeigt sich eine spekulative Dynamik, die sich etwas gebremst auf den Mietensektor und völlig ungebremst auf den Eigentumsmarkt durchschlägt: Wohnen wird für viele unleistbar.


Wien wohnt sozial. Oder teuer.

Die über 1,9 Mio. Einwohner*innen Wiens wohnen überwiegend zur Miete. Von den insgesamt ca. 900.000 Wohneinheiten in der Stadt sind knapp 80 % Mietwohnungen (2020: 693.500). Davon befinden sich wiederum 13 % im besonders teuren Sektor der privat finanzierten Neubauwohnungen. Hier wird zu einem frei wählbaren Zins vermietet. Weitere knapp 30 % - mit fallender Tendenz - sind private Altbauten (rechtlich definiert als vor 1945 bzw. 1953 erbaut), in welchen die Mieten zumindest theoretisch in ihrer Höhe gedeckelt sind. Die restlichen knapp 60 % der Mietwohnungen gehören entweder der Gemeinde Wien (Gemeindebau) bzw. Gemeinnützigen Wohnbauträgern  (im Volksmund meist Genossenschaft).

 

Insgesamt verteilen sich die Mietpreise höchst unterschiedlich. Während die Wohnkosten in den Gemeindewohnungen und älteren Gemeinnützigen bei ca. 6-10€/m2 brutto liegen, beträgt die Miete in neuen, privatfinanzierten Wohnungen in der Regel mehr als das Doppelte. Noch dramatischer sind die Unterschiede innerhalb des Altbausektors: Trotz der Regulierung durch die Vollanwendbarkeit des MRG (Mietrechtsgesetz) kommt es hier zu massiven Ungleichheiten. Alte Mietverträge, die innerhalb der Familie weitervererbt werden, führen teilweise zu Bruttokosten unter 6€/m2, während andere - paradoxerweise gerade Menschen, die finanziell schlechter gestellt sind - zum Teil horrende Preise (15 €/m2) für heruntergekommene, unsanierte Wohnungen bezahlen müssen. Letzteres hängt vor allem mit einer rechtlich unübersichtlichen Lage zusammen - begründet durch die extrem schwammigen und damit juritisch leider uneindeutigen Formulierungen im MRG -  die betrügerischen Absichten sprichwörtlich Tür und Tor öffnet.


Wie man wohnt, hängt davon ab, wo man wohnt.

Diese Aussage bezieht sich allerdings nicht unbedingt auf die unterschiedlichen Bezirke Wiens. Wesentlichen Einfluss auf die Leistbarkeit und Qualität des Wohnens haben insbesondere die Eigentümer*innen. Je nachdem, zu welchen der "Sektoren" eine Mietwohnung zählt, können der Mietpreis und die Wohnqualität erheblich schwanken. Dies hängt wiederum von unterschiedlichen Faktoren ab, wie etwa den geltenden Gesetzen (der sogenannten Regulierung) oder auch den maßgeblichen Interessen der Eigentümer*innen. Wer ganze Häuser kauft, um eine möglichst hohe Rendite zu erzielen, geht mit seinen Mieter*innen anders um als jene, die den vererbten Wohnungsbestand vor allem zur Wertsicherung nutzen wollen. Gemeinnützige Wohnbauträger sind wiederum per Gesetz der Gemeinwohlorientierung verpflichtet - d. h, hier dürfen nur sehr beschränkt Gewinne erwirtschaftet werden. Alles was darüber hinaus geht, muss wieder in den Wohnbau (Neu-Errichtung, Sanierung etc.) re-investiert werden.


Überblick über die vier großen Sektoren am Wiener Mietwohnungsmarkt

Gemeindewohnungen

 

Qualität

Gemeindewohnugen finden sich über die ganze Stadt verteilt. Teilweise an sehr lauten Straßen gelegen (etwa entlang des Margaretengürtels), teilweise aber auch in ruhigen Nobelbezirken, nahe am Waldesrand (v.a. im 18. und 19. Bezirk). Dahinter stand vordergründig die Absicht, eine soziale Durchmischung zu erreichen und die Entstehung von Reichen- bzw. Armenvierteln zu verhindern. Die meisten Gemeindebauten aus den 1920er- und 30er-Jahren verfügen über eher kleine Wohnungen, sind aber oft architektonisch ansprechend gestaltet und meist mit einem ruhigen, begrünten Innenhof ausgestattet. Die Nachkriegsbauten sind dagegen in der Regel sehr schlicht und funktional gestaltet.

 

Regulierung

Die insgesamt 220.000 Gemeindewohnungen stehen im Eigentum der Stadtgemeinde Wien. Der politische Zweck war es, ausreichend leistbaren Wohnraum für die Anfang des 20. Jahrhunderts verarmten Massen herzustellen. Im Laufe der Nachkriegsjahrzehnte wurden allerdings immer weniger Gemeindewohnungen errichtet und 2004 wurde das kommunale Wohnbauprogramm vorübergehend komplett eingestellt. Im Zuge des Wahlkampfes der Gemeinderat- und Landtagswahlen 2015 versprach der nunmehrige Bürgermeister Ludwig unter der Bezeichnung Gemeindewohnungen NEU die Wiederaufnahme des kommunalen Wohnbauprogrammes.  Seit 2019 werden neu errichtete Gemeindewohnungen vergeben. Da sich die Projekte jedoch meist auf kleinere Nachverdichtungen beziehen, konnten bislang (2022) nur knapp 4.000 neue Gemeindewohnungen errichtet werden. Dies entspricht deutlich weniger als einem Zehntel der Gesamtbauleistung (inkl. freifinanzierte & gemeinnützige/geförderte Wohnungen) im Zeitraum 2015-2022.

 

Preis

Heutzutage richtet sich die Miethöhe nach dem Richtwertzins der auch für den regulierten Altbau gilt. Dies sind derzeit (2022) knapp 6,2 € /m², dazu kommen noch ca. 2-3€/m² Betriebskosten und die USt.

Für die Gemeindewohnungen NEU gilt ein Preis von 7,5 €/m2 brutto.

Der große Vorteil der Gemeindewohnungen: Befristungen sind quasi nicht vorhanden, ebenso wird auf den teuren Lagezuschlag verzichtet. Zudem entfallen teure Maklergebühren sowie Kautionszahlungen. Für privat vergebene Gemeindewohnungen sind jedoch oft Ablösen in der Höhe von einigen Tausend Euro zu bezahlen.

 

Aktuelle Entwicklung

Zwischen 2004 und 2019 wurde kein einziger neuer Gemeindebau mehr eröffnet. Das derzeit laufende Gemeindewohnungen NEU-Programm der Stadt Wien brachte zwischen 2019 und 2022 knapp 4.000 neu errichtete Wohnungen. Um den Anteil der kommunalen Wohnungen am Gesamtmarkt halten zu können, bräuchte es jedoch jährlich mindestens 2.500 neue Gemeindewohnungen.

Die öffentlich finanzierte Förderung von privaten, gewinnorientierten Unternehmen verbraucht große Teile des Budgets, ohne langfristig leistbares Wohnen ermöglichen zu können und sollte daher durch eine nachhaltige Gemeindebaustrategie ersetzt werden. Das derzeitige Programm Gemeindewohnungen NEU kann die Anforderungen an einen  nachhaltigen, kommunalen Wohnbau nur zu einem kleinen Teil erfüllen. Dies hängt vor allem mit der unterdimensionierten Anzahl an neu errichteten Gemeindewohnungen zusammen.

Gemeinnützige Wohnungen

 

Qualität

Der Wohnungsbestand der im Volksmund auch als Genossenschaften bezeichneten Gemeinnützigen Bauträger ist in den letzten Jahren (allerdings mit einem dramatischen Einbruch ab etwa 2016) stark ausgebaut worden. Aufgrund fehlender leistbarer Grundstücke in Zentrumsnähe - diese werden von gewinnorientierten Unternehmen rasch aufgekauft - befinden sich  diese Wohnungen jedoch tendenziell eher am Stadtrand, verfügen dafür aber oftmals über Balkone, Terrassen bzw. Gärten. Gegen Ende der 2010er-Jahre kam es aufgrund der extrem hohen Grundstückspreise zu einem starken Rückgang der Bautätigkeiten in allen österreichischen Ballungsräumen, darunter auch in Wien. Der Mietzins der Gemeinnützigen ist gesetzlich für die laufende Erhaltung vorgesehen, weswegen hier im Allgemeinen eine gute Wohnqualität vorherrscht.

 

Regulierung

Gemeinnützige Unternehmen zahlen keine Körperschaftssteuer. Im Gegenzug verpflichten sich die Genossenschaften zur Vermietung zum Selbstkostenpreis plus einer kleinen, aber beschränkten Gewinnspanne. Die Miethöhe wird im WGG (Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz) geregelt und ist insbesondere nach vollständiger Rückzahlung der Kredite, welche zur Errichtung aufgenommen wurden, auf sehr niedrigem Niveau gedeckelt.

 

Preis

Mit knapp 4,00 € netto-kalt bzw. 7,00-8,00 € brutto liegt die Mietzahlung (dient dann vor allem der Erhaltung) nach Rückzahlung aller Darlehen/Kredite sogar unter dem Niveau vieler Gemeindebauten. Allerdings sind davor oft deutlich mehr als 20.000 € Baukostenanteil von den Mieter*innen einzubringen, was häufig eine große finanzielle Hürde darstellt. Außerdem übersteigt die Nachfrage das Angebot um das Zigfache (die über das Wohnservice Wien vergebenen, geförderten Wohnungen weisen oft mehr als 100 Bewerber*innen pro Wohneinheit auf). Auch sind die Mieten in den Gebäuden die noch nicht re-finanziert wurden (dies dauert meistens 15-30 Jahre), aufgrund der hohen Grundstückskosten, welche sich direkt auf den Mietzins durchschlagen, relativ teuer und bewegen sich eher im Bereich des privaten Sektors denn den Gemeindebauten.

 

Aktuelle Entwicklung

Die Gemeinnützigen Bauträger stellen zwar das Rückgrat des leistbaren Wohnens in Österreich dar, leiden aber auch massiv unter der spekulativen Preisdynamik am Grundstücksmarkt. Durch die horrenden Bodenpreise können die Kostenlimits kaum eingehalten werden, weshalb viele Bauträger profitorientierte Tochterunternehmen gründen. Dies verschafft ihnen zwar entsprechende Gewinne, lässt die Preisspirale allerdings noch schneller drehen. Politische Korrekturmaßnahmen, wie die Streichung von veralteten Stellplatzbestimmungen (Pflicht, pro Wohnung  xy Parkplätze zu errichten) und die  "Vergabe im Baurecht" (zb. auf 99 Jahre) könnten die Lage etwas entspannen. Im November 2018 einigte sich die Wiener Stadtregierung auf die Einführung der neuen Flächennutzungskategorie geförderter Wohnbau. Auf zum Wohnbau umgewidmten Flächen sollen zukünftig mind. 2/3 aller Wohnungen geförderter Wohnraum sein. So will man den für gemeinnützige Bauträger unbezahlbar gewordenen Bodenpreisen lokalpolitisch entgegenwirken. Mehr dazu im Wohnblog vom 2.12.2018.

 

Konkrete Auswirkungen dieser Maßnahmen konnten bis Anfang 2022 noch nicht wissenschaftlich erfasst werden.


Privater Altbau

 

Qualität

Wien ist berühmt für seinen großen Bestandteil an historischen Altbauten, viele davon um die Jahrhundertwende errichtet (Gründerzeitviertel = Wohngegend mit mehrheitlichem Bestand aus den Jahren ca. 1870-1918) und architektonisch meist von sehr hoher Qualität. Gut gepflegt, bieten Altbauwohnungen auch heute noch ein sehr angenehmes Wohnklima, insbesondere seit mit Hilfe der staatlich geförderten Sanften Stadterneuerung in den 1980ern zahlreiche Wohnungen von Substandard auf Klasse A hochsaniert wurden. Auf der anderen Seite gibt es sie noch immer: Winzige Wohnungen ohne Gasheizung, mit WC am Gang und einem Wärmeheizwert jenseits von Gut und Böse. Oft sind es gerade Menschen in Armut, mit ungesichertem Bleiberecht oder in sonstigen schwierigen Lebenslagen, welche auf solche Wohnungen - meist zu einem stark überhöhten Preis - angewiesen sind.

 

Regulierung

Altbauwohnungen fallen in der Regel unter die Vollanwendbarkeit des MRG. Dies bedeutet, dass das die Mieter*innen in einer vergleichsweise guten Rechtsposition sind. Die Miete (für Verträge ab 1994) errechnet sich aus dem Richtwertzins, welcher gesetzlich festgelegt ist und im Schnitt alle 2 Jahre  an die Inflation angepasst wird. Ohne grobe Verfehlungen von Seiten der Bewohner*innen sind Vermieter*innen kaum in der Lage, unbefristete Mietverhältnisse zu kündigen.

Jüngere Verträge sind dagegen aus Mieter*innensicht von deutlich schlechterer Qualität. Seit 1994 ist es nämlich möglich, a) die Mietverträge auf die Dauer von drei Jahre zu befristen und b) kann ein sogenannter Lagezuschlag auf den prinzipiell niedrigen Richtwertzins aufgeschlagen werden. Das große Problem am Lagezuschlag ist, dass sich die Höhe nicht nach der tatsächlichen Qualität der Lage richtet, sondern nach dem Grundstückspreis. Die Grundstückpreise unterliegen aber keinerlei Regulation und sind vor allem in den letzten Jahren von einer stark spekulativen Dynamik geprägt. Somit wurde der eigentlich regulierte Altbausektor an die rasante Entwicklung am freien Markt gekoppelt. Dies ist vorrangig ein absurd anmutendes Geschenk an Immobilienunternehmemn, da sich die Kosten für die Errichtung der Altbauten bereits zigfach refinanziert haben.

 

Preise

Der Lagezuschlag kann also, vor allem in Kombination mit der Befristung, dazu führen, dass die Mieten für neue Mietverhältnisse stark steigen. Als Extrembeispiel gilt hier der Bezirk Innere Stadt: Hier beträgt der Lagezuschlag, welcher auf den Richtwert von ca. 6,20 €/m² aufgeschlagen werden kann,  fast 13,00  €/m².

Alte weitervererbte Mietverhältnisse zum beinahe Nulltarif stehen also von spekulativen Dynamiken geprägten, hohen Preisen gegenüber. Hinzukommt, dass die Vermieter*innen im Altbau häufig unerlaubte Aufschläge kassieren. Dies passiert nicht immer absichtlich, sondern mitunter auch aufgrund der unklaren Definition im MRG.

Hier können Sie kostenlos Ihre Miete und etwaige Lagezuschläge überprüfen lassen: https://mein.wien.gv.at/Meine-Amtswege/Richtwert/

 

Aktuelle Entwicklung

Angesichts dieser wohnungspolitisch nachteiligen Auswirkungen der MRG Novelle 1994 (= Einführung des Lagezuschlags auf Basis der unregulierten Grundstückskosten), hat die Stadt Wien im Spätsommer 2018 bekanntgegeben, die Lagezuschlagskarte zu überarbeiten und verstärkt tatsächliche Lagemerkmale statt des reinen Grundstückspreises zur Ermittlung des Lagezuschlags heranzuziehen. In einer ersten Konsequenz sind die empfohlenen Lagezuschläge vielerorts gesunken. Da es sich dabei aber stets nur um  Empfehlungen von Seiten der Stadt Wien handelt, muss der angemessene Mietzins im Zweifelsfall vor Gericht verhandelt werden. Die Ursache liegt hierfür eindeutig in der bewusst schwammigen Formulierung des MRG sowie des RichtWG (Richtwertgesetz) begründet, wonach nach § 16 Abs 4 MRG nur dann ein Lagezuschlag erlaubt ist, wenn es sich um eine Lage handelt, "[...] die besser ist als die durchschnittliche Lage". Als wäre dies nicht uneindeutig genug, beschreibt § 2 RichtWG, dass die Lage "[...] nach der allgemeinen Verkehrsauffassung und der Erfahrung des täglichen Lebens zu beurteilen [ist]."

Privater Neubau

 

Qualität

Die Qualitätsmerkmale sind im Neubausektor sehr unterschiedlich ausgeprägt. Viele der in den 1960ern und -70ern errichteten Wohnungen verfügen über für diese Phase klassische Mängel wie eine erhöhte Anfälligkeit für Schimmel, niedrige Raumhöhen und lärmdurchlässige Wände. Neuere Wohnungen sind meist von passabler bis guter Wohnqualität. Dank der Investorenarchitektur wird jedoch vor allem die Außendarstellung meist stark vernachlässigt, mit dem Resultat eines zerstückelten und ideen- bzw. charakterlosem Stadtbild. Auf wienschauen.at finden sich zahlreiche Beispiele dieser städtebaulich negativen Entwicklung.

 

Regulierung

Alle jene Mietwohnungen, welche nach 1945 bzw. 1953 errichtet wurden, fallen nur unter die Teilanwendbarkeit des MRG. Wichtigste Konsequenz ist, dass hier kein Richtwertzins gilt. Es kann in der Regel jener Preis verlangt werden, den "der Markt hergibt". Eine solche Regelung wird im neoliberalen Schönsprech auch gerne als "marktkonforme Miete" bezeichnet. Dass diese keineswegs zu dem angeblich optimalen Output - der dem freien Markt gerne zugesprochen wird - führt, zeigt die Situation am privaten Mietwohnungssektor nur allzu gut. Bestehende Wohnungen sind teuer und meist von geringer Qualität (die Außnahmebilden einzelne Luxusobjekte), bleiben für Menschen ohne  Zugang zu den preisregulierten Sektoren jedoch oft die einzige Möglichkeit. Ergebnis ist dann vor allem für die ärmsten Schichten nicht selten eine finanziell extrem belastende Wohnsituation. Und auch die Neubauleistung zeigt, dass der freie Markt weit weniger effizient als gedacht ist. Gebaut wird renditeorientiert und daher zumeist "am Markt vorbei". Anders ausgedrückt: Obwohl die Nachfrage nach leistbarem Wohnraum enorm groß ist, werden vor allem teure Anleger*innenwohnungen gekauft, die nicht selten unvermietet bleiben.

 

Preise

Folglich ist dies auch der im Schnitt teuerste Wohnsektor. Hier sind Preise unter 14,00 €/m² schon seit Jahren Rarität, die Regel sind eher 15,00-20,00 € brutto. Für einige gut betuchte, luxusorientierte Mieter*innen dürfte dies durchaus berechtigt und bezahlbar sein. Für die Mehrheit der erwerbstätigen Bevölkerung gilt dies nicht.

 

Aktuelle Entwicklung

Durch die Finanzkrise 2008/09 und die folglich seit mehr als einem Jahrzehnt dominierende Nullzinspolitk (mit äußerst zaghaften Korrekturen ab Mitte 2022) fließt sehr viel Anlagekapital in den Wohnungsmarkt. Die Folge sind enorme Preissteigerungen, vor allem im Eigentumssektor. Statt leistbaren Wohnraum zu produzieren, heizt das Investitionskapital den Immobilienmarkt weiter auf. Während kleinteilige Bauprojekte, wie z. B Dachausbauten, nur wenig Schwierigkeiten verursachen, stellt die Abbruchsanierung (= altes, günstiges Mietshaus wird abgerissen und durch freifinanzierte und unregulierte, extrem teure Wohnungen ersetzt) ein wohnungspolitisches Problem dar. Begünstigt wird dies auch durch die beschränkte Anwendbarkeit des MRG: Hier braucht es ein faires Gesetz, welches für alle ausfinanzierten Gebäude (alle Neubauten älter als 30 Jahre) eine leistbare Mietzinsregelung vorsieht.

Seit Ende Juni 2018 sollte es in Wien rechtlich nicht mehr möglich sein, ohne erteilte Genehmigung Altbauten abreißen zu lassen. Diese Novelle zielte darauf ab, Extremfälle (wie jenen der Radetzkystraße 24-26; Abriss trotz bestehender Mietverträge und Mieter*innen im Gebäude) unwahrscheinlicher zu machen. In der Praxis bedeutete dies jedoch nur eine mehrmonatige Verschnaufpause, ehe die Abrisswelle wieder an Fahrt aufnahm. Seit 2019 wurden abermals zahlreiche Altbauten aufgekauft, Mieter*innen unter Druck gesetzt und folglich entfernt. Danach folgte der Abriss, um als spekulative Fläche brachzuliegen oder durch einen unregulierten/unleistbaren sowie architektonisch minderwertigen Neubau ersetzt zu werden.

Als problematisch erweist sich dabei vor allem die fehlende Entscheidungstransparenz der zuständige Stelle, die Magistratsabteilung 19 - Architektur und Stadtbild. Durch fehlende objektive Kriterien und Entscheidungsgrundlagen drohen Machtmissbrauch und Fehlentscheidungen. Aber auch die in der Novelle festgehaltene, alleinige Beurteilung nach architektonischen Gesichtspunkten unter Ausklammerung sämtlicher sozialer Nachhaltigkeitsaspekte ist dringend zu hinterfragen.